Die Metaphysik der Dinge

Die Kulturgeschichte ist für viele Menschen – und so auch für mich – nicht allein durch die Betrachtung der großen Entwicklungslinien faszinierend. Vielmehr sind es die kleinen Zeitausschnitte, Momente, Ereignisse und ganz besonders auch Dinge des Alltags, technische Geräte oder besondere Kreationen in Design, Architektur und Malerei, die die Vergangenheit mit Leben erfüllen und uns eine Verbindung zur heutigen Welt herstellen lassen.

 

Jeder Gegenstand, den wir betrachten oder nutzen, besitzt nicht nur eine physische Form und Funktion, sondern auch eine metaphysische Dimension. Diese Dimension betrifft die immateriellen Aspekte der Dinge – ihre Geschichte, Symbolik und die Bedeutung, die wir ihnen beimessen.

 

Nehmen wir zum Beispiel einen alten, abgenutzten Stuhl. Auf den ersten Blick mag er lediglich ein funktionales Möbelstück sein, das seine besten Zeiten hinter sich hat. Aber auf einer tieferen Ebene trägt er die Spuren der Zeit und der Menschen, die ihn genutzt haben. Jeder Kratzer, jede Kerbe erzählt eine Geschichte, vielleicht verrät uns auch seine Gestaltung etwas über die Epoche und Gesellschaft, in der er benutzt wurde. Der Stuhl wird zu einem Zeugen vergangener Ereignisse, zu einem Träger von Erinnerungen und Informationen.

 

Vincent van Gogh hat in frühen Briefen an seinen Bruder Theo darüber geschrieben, dass er einfache Dinge wie Möbel und Holzschule male, weil er „Gottes Werk“ darin sehe, das er ehren wolle. Sehr viel rationaler hat sich Neil MacGregor als Direktor des British Museum 100 Exponaten seines Museums genähert und ihre Geschichte für die Hörer der BBC entschlüsselt. Aus dieser Reihe wurde ein international überaus erfolgreiches Buch – Die Geschichte der Welt in 100 Dingen –, das großen Einfluss auf historische Ausstellungen und andere Publikationen hatte.

 

Beim Entschlüsseln der Geschichte von Dingen und Ereignissen erheben sich viele Fragen. Grundlegende Fragen, aber machmal auch ganz einfache wie diese: „Was bedeutete es für die Menschheit, dass im Januar 1970 zum ersten Mal ein Flugzeug abhob, das mehr als 400 Passagiere transportieren konnte?“ oder „Was sagt es über den Zeitgeist aus, dass ab Beginn der 60er-Jahre kaum noch Heckflossen an Autos zu sehen waren?“ Die Antworten auf solche Fragen können überraschend erhellend sein, denn wer denkt etwa bei einem Passagierflugzeug an zunächst wachsende, später zurückgewiesene Völkerverständigung? Objekte können also unser Verständnis einer zurückliegenden Zeit, Gesellschaft, Kultur erweitern – und sogar den Blick auf uns selbst.

Für solche und andere Fragen an die Geschichte und an uns selbst machen wir Bücher.

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